Torako Yui: Das Wunder der japanischen Homöopathie

von Akemi Tsuzuki

 

Torako Yui

Vor weniger als fünfzehn Jahren war die Homöopathie in Japan und im "fernen Osten" relativ unbekannt. Doch die Situation in Japan hat sich in den vergangenen zehn Jahren dramatisch verändert. Im Jahr 2010 arbeiten mehr als 500 geschulte Homöopathen in schätzungsweise 250 Kliniken im ganzen Land. Vermutlich wenden mehr als 100.000 Japaner heute homöopathische Arzneimittel an.

Dieses rasante Wachstum erhielt in der konstituierenden Sitzung des Internationalen Rates für Homöopathie (ICH) die Bezeichnung „Wunder der japanischen Homöopathie“. Diese Organisation hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Ausbildung von Homöopathen zu unterstützen und das Bewusstsein für die Möglichkeiten der Selbstmedikation bei körperlichen und seelischen Beschwerden zu wecken.

Das „japanische Wunder“ wäre nicht möglich gewesen ohne Torako Yuis Energie und ihr Engagement für die Homöopathie. Nach Abschluss ihres Studiums wurde sie im Jahre 1994 die erste registrierte Homöopathin des homöopathischen Ärzte-Verbands (Homoeopathic Medical Association = HMA). Seitdem hat sie ihr Leben der Verbreitung der Homöopathie auf der ganzen Welt gewidmet.

Meine Begegnung mit der Homöopathie - Torako Yui erzählt in ihren eigenen Worten:

„Als ich 33 Jahre alt war, litt ich an Colitis ulcerosa und hatte drei Jahre lang  Teerstühle, weil sich das Blut aus der Darmwand mit meinem Stuhlgang vermischte. Als die Krankheit ihren Höhepunkt erreicht hatte, hatte ich ein ständiges Gefühl von Stuhldrang - manchmal bis zu fünfzehn Mal am Tag, was bedeutete, dass es mit Schwierigkeiten verbunden war, das Haus oder das Büro zu verlassen. Da die Situation durch die Darmgeschwüre bedingt war, hatte ich zusätzlich furchtbare Koliken.

In den ersten zwei Jahren erhielt ich eine Menge von Behandlungen einschließlich Kortison, aber diese halfen nur vorübergehend; sobald ich in Stress oder unter Druck geriet, breiteten sich die Geschwüre aufs Neue aus und begannen zu bluten. Die wirkliche Ursache, warum die Colitis ulcerosa so hartnäckig war, war mein Lebensstil. Oft ignorierte ich meine Müdigkeit und arbeitete die Nacht durch.

Es geschah im zweiten Behandlungsjahr der Krankheit, dass ich auf die  Homöopathie stieß. Ich war sehr deprimiert und dachte nur noch negativ über mein Leben. Es kam mir so unfair vor, dass ausgerechnet ich es sein musste,  die an solch unangenehmen Symptomen zu leiden hatte. Im Nachhinein ist mir klar, dass ich in einem derartig schlechten psychischen Zustand nicht gesund werden konnte. Mein Zustand verschlechterte sich immer mehr und ich bekam Beruhigungsmittel, Diuretika, Eisentabletten und Antibiotika – alles ohne Erfolg. Schließlich wurde mir gesagt, dass der betroffene Teil des Darms heraus operiert und ein künstlicher Darmausgang gelegt werden müsse.

In dieser Nacht hatte ich einen Traum über eine Behandlung. Heute bin ich sicher, dass mein Traum mir riet, eine homöopathische Behandlung zu suchen. Als ich erwachte, war jedoch alles, was ich von dem Traum noch erinnern konnte, der Satz: „Gleiches muss mit Gleichem behandelt werden, eine richtige Behandlung erfordert ein Simile.“ Ich rief eine englische Kollegin an und wiederholte ihr diesen Satz. Sie sagte, dass ich offenbar an Homöopathie denke, und dann erinnerte ich mich wieder an alles - es war tatsächlich die homöopathische Behandlung, von der ich da geträumt hatte. Nun gehöre ich normalerweise nicht zu den Leuten, die Träume als Omen ansehen, aber Sie werden sich erinnern, dass ich damals ziemlich verzweifelt und fertig war.

Mein erster Besuch bei einem Homöopathen erschien mir etwas befremdlich. Einige seiner Fragen kamen mir völlig irrelevant vor, während andere aus dem Mund eines Psychologen hätten kommen können; ich fühlte mich wie nackt und bloßgestellt. Ich wurde über meine Gewohnheiten und meinen Charakter befragt und über die Art, wie ich über die Dinge dachte.

Er fragte mich auch, ob bzw. wie ich von Sonne, Mond und vom Wetter beeinflusst würde. Er wollte alles über meine Vorlieben beim Essen und meine Ängste wissen, ob ich regelmäßig träumte und wie ich mit meinen Gefühlen umgehen könne. Einige Fragen waren wirklich verwirrend. Er fragte sogar nach meinem Geburtsgewicht und ob ich gestillt worden sei. Dann stellte er eine Menge Fragen über die Krankengeschichte meiner Familie. Ich merkte, wie wenig ich über mich wusste, und noch weit weniger wusste ich über meine Familie; über solche Dinge wurde bei meinen Eltern nicht gesprochen.

Während der Konsultation wartete ich ständig darauf, dass mich der Homöopath über meinen Gesundheitszustand befragen würde. Ich versuchte, das Gespräch auf meine gesundheitlichen Probleme zu bringen, weil ich darüber reden wollte, aber der Homöopath hielt das offenbar nicht für wichtig. Während der einstündigen Fallaufnahme sprachen wir weniger als fünf Minuten über mein Leiden. Als die Konsultation beendet war, gab er mir vier Zuckerkügelchen, jedes mit einem anderen Namen. Ich begann mich betrogen zu fühlen, der Homöopath hatte kein Stethoskop, keinen weißen Kittel, kein Interesse an meiner Krankheit, sondern nur vier winzige Zuckerpillen. Ich fragte mich, warum ich meinem Traum geglaubt hatte.
Als ich nach Hause kam, entschied ich mich, die Globuli auf jeden Fall einzunehmen. Sie wegzuwerfen wäre Geldverschwendung, und es war  unwahrscheinlich, dass mir so eine kleine Pille einmal täglich schaden würde. Am fünften Tag fühlte ich mich jedoch so schwach, dass ich morgens nicht aufstehen konnte; ich hatte Fieber und meine Gelenke schmerzten. Nachdem ich mich auf die Toilette geschleppt hatte, ging ich doppelt gequält zurück ins Bett. Die Schmerzen waren schrecklich. Ich rief den Homöopathen an und bat um Hilfe: „Bitte helfen Sie mir, ich kann nicht aufstehen und alle meine Gelenke sind entzündet!“ Seine Antwort war kurz: „Das ist eine gute Nachricht! Gehen Sie  wieder ins Bett und versuchen Sie sich zu entspannen und zu schlafen.“ Dann legte er auf.
Ich konnte es nicht glauben! Wie konnte das gut sein? Der Mann war offenbar ein Scharlatan, ein Quacksalber! Wie hatte ich nur so dumm sein können, die Dinger einzunehmen? Dennoch - als die Schmerzen immer schlimmer wurden, bemerkte ich, dass ich keinen Durchfall mehr hatte. Die Schmerzen erinnerten mich an eine schwere Grippe, die ich im Alter von 26 Jahren gehabt hatte. Damals hatte ich Antibiotika genommen, aber sie hatten mir überhaupt nicht geholfen.
Ich hatte  immer noch Fieber und krümmte mich vor Schmerzen. Drei Tage, nachdem ich das letzte Kügelchen genommen hatte, ließen die Schmerzen nach. Ich fühlte mich benommen und schwindlig. Der Durchfall war zurückgekehrt, aber er war nun nicht mehr hell-, sondern dunkelrot. Da ich in den letzten Tagen nichts hatte essen können, war mir klar, dass dies nur die Entleerung der Blutreste aus meinem Darm sein konnte.

Etwa eine Woche später merkte ich, dass ich ziemlich wütend wurde. Die Wellen von Wut kamen immer häufiger und ich hatte oft den Drang, Dinge kaputt zu machen. Es fühlte sich an, als sei ich von der Gesellschaft betrogen und im Stich gelassen worden; alle Anstrengungen, die ich an meinem Arbeitsplatz unternommen hatte, hatten zu nichts geführt. Ich würde nie in der Lage sein, Ruhm und Vermögen in dieser von Männern dominierten Gesellschaft zu erreichen, wo jeder, der sich außerhalb der akzeptierten Normen befindet, systematisch ausgegrenzt wird. Ich war nicht gesund, weil ich so hart gearbeitet hatte, um mir das Lob meines Chefs zu verdienen, aber ich hatte meinen Körper ignoriert. Ich hatte es zugelassen, dass andere meinen Wert beurteilten und hatte mich damit krank gemacht. Ich erkannte, dass ich innerlich noch das Kind war, das die Anerkennung des Chefs sucht, so wie ich früher nach dem Lob meiner emotional distanzierten Mutter gehungert hatte. Das Verlangen nach Lob und Anerkennung hatte mir das Gefühl gegeben, wertlos zu sein und mich in die Verzweiflung getrieben.

 

Seerosen

 

Gefangen in einem solchen emotional labilen Zustand schwankte ich zwischen Wut und Tränen. Sobald die Wut nachließ, wurde ich traurig; ich fand es schlimm, dass das Leben so hart sein konnte. Das klingt vielleicht ein wenig kindisch; aber es fiel mir auf, dass ich noch immer an den Schmerzen meines Kindheitstraumas litt, und es war mein inneres Kind, das vor lauter Frust weinte. Komischerweise bemerkte ich die körperlichen Veränderungen nicht sofort, die sich indessen abspielten: meine Stühle waren zwar weich, aber nicht mehr blutig.

Eines Tages, als ich über meine traurige Kindheit nachdachte, sah ich durch den Schleier meiner Tränen die ersten Frühlingsblumen im Garten: Krokus, Pflaumenblüten und Seerosen. Als ich in die kühle Luft hinausging, fiel mir ein, dass diese schönen Blumen ihr ganzes Leben gelebt hatten, ohne die Möglichkeit zu haben, eine Beschwerde zu äußern oder vor einem Problem davon zu laufen.

Ich erkannte, dass ich trotz meiner Klagen über die mangelnde Anerkennung meiner Arbeit, den Mangel an Geld in meinem Leben und so weiter immer noch mehr Freiheit hatte als diese Pflanzen (und die meisten Lebewesen in der Natur).

Mein inneres Kind hatte mich unter Kontrolle – doch es verhielt sich wie ein Kind, ohne reife Erfahrungen. Ich erkannte, dass ich sofort vollkommen gestresst war, wenn ich ein Thema als belastend empfand. Betrachtete ich aber ein Problem als Herausforderung, so konnte ich es schaffen, diese Herausforderung zu meistern.

Ich sah ein, dass sich die Art meiner Gedanken auf meine gesamte Gesundheit auswirkte. Ich durfte nicht länger zulassen, dass mein inneres Kind über mein Leben bestimmte, und ich würde keinen Frieden finden, wenn ich mich weiterhin auf die Welt des Profits und des Materialismus konzentrierte. Ich glaube, dass meine Krankheit mich diese Lektionen gelehrt hat.
Die Colitis ulcerosa heilte innerhalb eines Monats vollkommen aus. Als ich dies dem Homöopathen bei meiner zweiten Konsultation mitteilte, lächelte er beglückt, als hätte er gewusst, dass es so kommen würde.
Mein ganzes Wesen hatte sich verändert. Während ich früher recht streng und ein wenig perfektionistisch gewesen war, wurde ich jetzt ziemlich nachlässig. Ich tat, was ich tun wollte, wenn ich es tun wollte. Ich wurde faul bei der Hausarbeit und mein Haus sah immer aus, als ob gerade eingebrochen worden sei. Ich hatte nur noch Lust, im Garten zu arbeiten und je mehr Zeit ich dort verbrachte, desto glücklicher wurde ich - wie ein glückliches Kind ohne Sorgen in der Welt. Als ich diesem Leben in Zufriedenheit nachgab, erkannte ich, dass ich den Wunsch hatte, mein Wissen weiter zu entwickeln und die Homöopathie zu erlernen.

Die anfängliche Begeisterung für meine Homöopathie-Ausbildung ließ infolge der Schwierigkeiten, die ich mit vielen Texten im Kurs hatte, bald nach. Die Bücher waren oft über hundert Jahre alt und mit griechischen, lateinischen und altenglischen Worten gespickt. Mir als Japanerin kam das wirklich alles wie Griechisch vor, und ich merkte, dass es vielen Engländern nicht anders erging. Ich bat um besondere Unterstützung, weil ich nach dem Unterricht schon wieder am Weinen war, aber es nützte nichts. Vielleicht wussten sie nicht, wie sie mir helfen sollten.

Trotz der Tränen und der Enttäuschung darüber, dass ich nicht in der Lage war, die Texte zu meistern, gab ich den Wunsch, Homöopathie zu lernen und diese geniale Heilmethode auch in Japan einzuführen, nicht auf. Ich beschloss, einen Schlussstrich zu ziehen und meine Homöopathie-Ausbildung an einem anderen College, wo angeblich mehr auf die Bedürfnisse ausländischer Studenten eingegangen wurde, fortzusetzen. Als ich dann ein Gespräch mit dem Direktor Robert Davidson führte, sagte er etwas sehr Merkwürdiges: "Herzlich willkommen, wir haben Sie erwartet. Wir dachten, Sie wären ein erfahrener Arzt, aber hier sind Sie nun, eine junge Frau... das spielt keine Rolle. Die Homöopathie wird im Fernen Osten dringend gebraucht - Sie müssen Ihr Studium ernst nehmen und die Homöopathie nach Japan bringen!" Robert und das Kollegium unterstützten mich großzügig, ebenso mein Freund und Privatlehrer, der Homöopath Meg Portal. Nach Abschluss der dreijährigen Ausbildung hatte ich das Glück, an einem Aufbaukurs von Dr. William Nelson, der beim Apollo-Weltraum-Projekt mitgearbeitet hatte, teilnehmen zu können. Dr. Nelson lehrte Anatomie, Physiologie, Pathologie und energetisierende homöopathische Behandlungen. Nach diesem Kurs ging ich zur "Homoeopathic Medical Association" und wurde eingetragene Homöopathin.

 

Torako Yui's College

Während meiner homöopathischen Laufbahn habe ich immer wieder meine Arbeitsweise überprüft, weil ich das Gefühl habe, dass meine Patienten mir ebenso oft helfen mich zu heilen, wie ich ihnen. Die Homöopathie hat nicht nur meine Krankheit geheilt, sondern mich auch zu einem wunderbar erfüllenden Beruf geführt. Ich möchte der Homöopathie meine aufrichtige Anerkennung aussprechen und bin überzeugt, dass es - wie Robert sagt - meine Berufung ist, die Homöopathie nach Japan zu bringen!“

 

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Kategorie: Allgemein
Stichwörter: Homöopathie, Japan, Wunder

 

Torako Yui: Das Wunder der japanischen Homöopathie

von Akemi Tsuzuki

 

Torako Yui

Vor weniger als fünfzehn Jahren war die Homöopathie in Japan und im "fernen Osten" relativ unbekannt. Doch die Situation in Japan hat sich in den vergangenen zehn Jahren dramatisch verändert. Im Jahr 2010 arbeiten mehr als 500 geschulte Homöopathen in schätzungsweise 250 Kliniken im ganzen Land. Vermutlich wenden mehr als 100.000 Japaner heute homöopathische Arzneimittel an.

Dieses rasante Wachstum erhielt in der konstituierenden Sitzung des Internationalen Rates für Homöopathie (ICH) die Bezeichnung „Wunder der japanischen Homöopathie“. Diese Organisation hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Ausbildung von Homöopathen zu unterstützen und das Bewusstsein für die Möglichkeiten der Selbstmedikation bei körperlichen und seelischen Beschwerden zu wecken.

Das „japanische Wunder“ wäre nicht möglich gewesen ohne Torako Yuis Energie und ihr Engagement für die Homöopathie. Nach Abschluss ihres Studiums wurde sie im Jahre 1994 die erste registrierte Homöopathin des homöopathischen Ärzte-Verbands (Homoeopathic Medical Association = HMA). Seitdem hat sie ihr Leben der Verbreitung der Homöopathie auf der ganzen Welt gewidmet.

Meine Begegnung mit der Homöopathie - Torako Yui erzählt in ihren eigenen Worten:

„Als ich 33 Jahre alt war, litt ich an Colitis ulcerosa und hatte drei Jahre lang  Teerstühle, weil sich das Blut aus der Darmwand mit meinem Stuhlgang vermischte. Als die Krankheit ihren Höhepunkt erreicht hatte, hatte ich ein ständiges Gefühl von Stuhldrang - manchmal bis zu fünfzehn Mal am Tag, was bedeutete, dass es mit Schwierigkeiten verbunden war, das Haus oder das Büro zu verlassen. Da die Situation durch die Darmgeschwüre bedingt war, hatte ich zusätzlich furchtbare Koliken.

In den ersten zwei Jahren erhielt ich eine Menge von Behandlungen einschließlich Kortison, aber diese halfen nur vorübergehend; sobald ich in Stress oder unter Druck geriet, breiteten sich die Geschwüre aufs Neue aus und begannen zu bluten. Die wirkliche Ursache, warum die Colitis ulcerosa so hartnäckig war, war mein Lebensstil. Oft ignorierte ich meine Müdigkeit und arbeitete die Nacht durch.

Es geschah im zweiten Behandlungsjahr der Krankheit, dass ich auf die  Homöopathie stieß. Ich war sehr deprimiert und dachte nur noch negativ über mein Leben. Es kam mir so unfair vor, dass ausgerechnet ich es sein musste,  die an solch unangenehmen Symptomen zu leiden hatte. Im Nachhinein ist mir klar, dass ich in einem derartig schlechten psychischen Zustand nicht gesund werden konnte. Mein Zustand verschlechterte sich immer mehr und ich bekam Beruhigungsmittel, Diuretika, Eisentabletten und Antibiotika – alles ohne Erfolg. Schließlich wurde mir gesagt, dass der betroffene Teil des Darms heraus operiert und ein künstlicher Darmausgang gelegt werden müsse.

In dieser Nacht hatte ich einen Traum über eine Behandlung. Heute bin ich sicher, dass mein Traum mir riet, eine homöopathische Behandlung zu suchen. Als ich erwachte, war jedoch alles, was ich von dem Traum noch erinnern konnte, der Satz: „Gleiches muss mit Gleichem behandelt werden, eine richtige Behandlung erfordert ein Simile.“ Ich rief eine englische Kollegin an und wiederholte ihr diesen Satz. Sie sagte, dass ich offenbar an Homöopathie denke, und dann erinnerte ich mich wieder an alles - es war tatsächlich die homöopathische Behandlung, von der ich da geträumt hatte. Nun gehöre ich normalerweise nicht zu den Leuten, die Träume als Omen ansehen, aber Sie werden sich erinnern, dass ich damals ziemlich verzweifelt und fertig war.

Mein erster Besuch bei einem Homöopathen erschien mir etwas befremdlich. Einige seiner Fragen kamen mir völlig irrelevant vor, während andere aus dem Mund eines Psychologen hätten kommen können; ich fühlte mich wie nackt und bloßgestellt. Ich wurde über meine Gewohnheiten und meinen Charakter befragt und über die Art, wie ich über die Dinge dachte.

Er fragte mich auch, ob bzw. wie ich von Sonne, Mond und vom Wetter beeinflusst würde. Er wollte alles über meine Vorlieben beim Essen und meine Ängste wissen, ob ich regelmäßig träumte und wie ich mit meinen Gefühlen umgehen könne. Einige Fragen waren wirklich verwirrend. Er fragte sogar nach meinem Geburtsgewicht und ob ich gestillt worden sei. Dann stellte er eine Menge Fragen über die Krankengeschichte meiner Familie. Ich merkte, wie wenig ich über mich wusste, und noch weit weniger wusste ich über meine Familie; über solche Dinge wurde bei meinen Eltern nicht gesprochen.

Während der Konsultation wartete ich ständig darauf, dass mich der Homöopath über meinen Gesundheitszustand befragen würde. Ich versuchte, das Gespräch auf meine gesundheitlichen Probleme zu bringen, weil ich darüber reden wollte, aber der Homöopath hielt das offenbar nicht für wichtig. Während der einstündigen Fallaufnahme sprachen wir weniger als fünf Minuten über mein Leiden. Als die Konsultation beendet war, gab er mir vier Zuckerkügelchen, jedes mit einem anderen Namen. Ich begann mich betrogen zu fühlen, der Homöopath hatte kein Stethoskop, keinen weißen Kittel, kein Interesse an meiner Krankheit, sondern nur vier winzige Zuckerpillen. Ich fragte mich, warum ich meinem Traum geglaubt hatte.
Als ich nach Hause kam, entschied ich mich, die Globuli auf jeden Fall einzunehmen. Sie wegzuwerfen wäre Geldverschwendung, und es war  unwahrscheinlich, dass mir so eine kleine Pille einmal täglich schaden würde. Am fünften Tag fühlte ich mich jedoch so schwach, dass ich morgens nicht aufstehen konnte; ich hatte Fieber und meine Gelenke schmerzten. Nachdem ich mich auf die Toilette geschleppt hatte, ging ich doppelt gequält zurück ins Bett. Die Schmerzen waren schrecklich. Ich rief den Homöopathen an und bat um Hilfe: „Bitte helfen Sie mir, ich kann nicht aufstehen und alle meine Gelenke sind entzündet!“ Seine Antwort war kurz: „Das ist eine gute Nachricht! Gehen Sie  wieder ins Bett und versuchen Sie sich zu entspannen und zu schlafen.“ Dann legte er auf.
Ich konnte es nicht glauben! Wie konnte das gut sein? Der Mann war offenbar ein Scharlatan, ein Quacksalber! Wie hatte ich nur so dumm sein können, die Dinger einzunehmen? Dennoch - als die Schmerzen immer schlimmer wurden, bemerkte ich, dass ich keinen Durchfall mehr hatte. Die Schmerzen erinnerten mich an eine schwere Grippe, die ich im Alter von 26 Jahren gehabt hatte. Damals hatte ich Antibiotika genommen, aber sie hatten mir überhaupt nicht geholfen.
Ich hatte  immer noch Fieber und krümmte mich vor Schmerzen. Drei Tage, nachdem ich das letzte Kügelchen genommen hatte, ließen die Schmerzen nach. Ich fühlte mich benommen und schwindlig. Der Durchfall war zurückgekehrt, aber er war nun nicht mehr hell-, sondern dunkelrot. Da ich in den letzten Tagen nichts hatte essen können, war mir klar, dass dies nur die Entleerung der Blutreste aus meinem Darm sein konnte.

Etwa eine Woche später merkte ich, dass ich ziemlich wütend wurde. Die Wellen von Wut kamen immer häufiger und ich hatte oft den Drang, Dinge kaputt zu machen. Es fühlte sich an, als sei ich von der Gesellschaft betrogen und im Stich gelassen worden; alle Anstrengungen, die ich an meinem Arbeitsplatz unternommen hatte, hatten zu nichts geführt. Ich würde nie in der Lage sein, Ruhm und Vermögen in dieser von Männern dominierten Gesellschaft zu erreichen, wo jeder, der sich außerhalb der akzeptierten Normen befindet, systematisch ausgegrenzt wird. Ich war nicht gesund, weil ich so hart gearbeitet hatte, um mir das Lob meines Chefs zu verdienen, aber ich hatte meinen Körper ignoriert. Ich hatte es zugelassen, dass andere meinen Wert beurteilten und hatte mich damit krank gemacht. Ich erkannte, dass ich innerlich noch das Kind war, das die Anerkennung des Chefs sucht, so wie ich früher nach dem Lob meiner emotional distanzierten Mutter gehungert hatte. Das Verlangen nach Lob und Anerkennung hatte mir das Gefühl gegeben, wertlos zu sein und mich in die Verzweiflung getrieben.

 

Seerosen

 

Gefangen in einem solchen emotional labilen Zustand schwankte ich zwischen Wut und Tränen. Sobald die Wut nachließ, wurde ich traurig; ich fand es schlimm, dass das Leben so hart sein konnte. Das klingt vielleicht ein wenig kindisch; aber es fiel mir auf, dass ich noch immer an den Schmerzen meines Kindheitstraumas litt, und es war mein inneres Kind, das vor lauter Frust weinte. Komischerweise bemerkte ich die körperlichen Veränderungen nicht sofort, die sich indessen abspielten: meine Stühle waren zwar weich, aber nicht mehr blutig.

Eines Tages, als ich über meine traurige Kindheit nachdachte, sah ich durch den Schleier meiner Tränen die ersten Frühlingsblumen im Garten: Krokus, Pflaumenblüten und Seerosen. Als ich in die kühle Luft hinausging, fiel mir ein, dass diese schönen Blumen ihr ganzes Leben gelebt hatten, ohne die Möglichkeit zu haben, eine Beschwerde zu äußern oder vor einem Problem davon zu laufen.

Ich erkannte, dass ich trotz meiner Klagen über die mangelnde Anerkennung meiner Arbeit, den Mangel an Geld in meinem Leben und so weiter immer noch mehr Freiheit hatte als diese Pflanzen (und die meisten Lebewesen in der Natur).

Mein inneres Kind hatte mich unter Kontrolle – doch es verhielt sich wie ein Kind, ohne reife Erfahrungen. Ich erkannte, dass ich sofort vollkommen gestresst war, wenn ich ein Thema als belastend empfand. Betrachtete ich aber ein Problem als Herausforderung, so konnte ich es schaffen, diese Herausforderung zu meistern.

Ich sah ein, dass sich die Art meiner Gedanken auf meine gesamte Gesundheit auswirkte. Ich durfte nicht länger zulassen, dass mein inneres Kind über mein Leben bestimmte, und ich würde keinen Frieden finden, wenn ich mich weiterhin auf die Welt des Profits und des Materialismus konzentrierte. Ich glaube, dass meine Krankheit mich diese Lektionen gelehrt hat.
Die Colitis ulcerosa heilte innerhalb eines Monats vollkommen aus. Als ich dies dem Homöopathen bei meiner zweiten Konsultation mitteilte, lächelte er beglückt, als hätte er gewusst, dass es so kommen würde.
Mein ganzes Wesen hatte sich verändert. Während ich früher recht streng und ein wenig perfektionistisch gewesen war, wurde ich jetzt ziemlich nachlässig. Ich tat, was ich tun wollte, wenn ich es tun wollte. Ich wurde faul bei der Hausarbeit und mein Haus sah immer aus, als ob gerade eingebrochen worden sei. Ich hatte nur noch Lust, im Garten zu arbeiten und je mehr Zeit ich dort verbrachte, desto glücklicher wurde ich - wie ein glückliches Kind ohne Sorgen in der Welt. Als ich diesem Leben in Zufriedenheit nachgab, erkannte ich, dass ich den Wunsch hatte, mein Wissen weiter zu entwickeln und die Homöopathie zu erlernen.

Die anfängliche Begeisterung für meine Homöopathie-Ausbildung ließ infolge der Schwierigkeiten, die ich mit vielen Texten im Kurs hatte, bald nach. Die Bücher waren oft über hundert Jahre alt und mit griechischen, lateinischen und altenglischen Worten gespickt. Mir als Japanerin kam das wirklich alles wie Griechisch vor, und ich merkte, dass es vielen Engländern nicht anders erging. Ich bat um besondere Unterstützung, weil ich nach dem Unterricht schon wieder am Weinen war, aber es nützte nichts. Vielleicht wussten sie nicht, wie sie mir helfen sollten.

Trotz der Tränen und der Enttäuschung darüber, dass ich nicht in der Lage war, die Texte zu meistern, gab ich den Wunsch, Homöopathie zu lernen und diese geniale Heilmethode auch in Japan einzuführen, nicht auf. Ich beschloss, einen Schlussstrich zu ziehen und meine Homöopathie-Ausbildung an einem anderen College, wo angeblich mehr auf die Bedürfnisse ausländischer Studenten eingegangen wurde, fortzusetzen. Als ich dann ein Gespräch mit dem Direktor Robert Davidson führte, sagte er etwas sehr Merkwürdiges: "Herzlich willkommen, wir haben Sie erwartet. Wir dachten, Sie wären ein erfahrener Arzt, aber hier sind Sie nun, eine junge Frau... das spielt keine Rolle. Die Homöopathie wird im Fernen Osten dringend gebraucht - Sie müssen Ihr Studium ernst nehmen und die Homöopathie nach Japan bringen!" Robert und das Kollegium unterstützten mich großzügig, ebenso mein Freund und Privatlehrer, der Homöopath Meg Portal. Nach Abschluss der dreijährigen Ausbildung hatte ich das Glück, an einem Aufbaukurs von Dr. William Nelson, der beim Apollo-Weltraum-Projekt mitgearbeitet hatte, teilnehmen zu können. Dr. Nelson lehrte Anatomie, Physiologie, Pathologie und energetisierende homöopathische Behandlungen. Nach diesem Kurs ging ich zur "Homoeopathic Medical Association" und wurde eingetragene Homöopathin.

 

Torako Yui's College

Während meiner homöopathischen Laufbahn habe ich immer wieder meine Arbeitsweise überprüft, weil ich das Gefühl habe, dass meine Patienten mir ebenso oft helfen mich zu heilen, wie ich ihnen. Die Homöopathie hat nicht nur meine Krankheit geheilt, sondern mich auch zu einem wunderbar erfüllenden Beruf geführt. Ich möchte der Homöopathie meine aufrichtige Anerkennung aussprechen und bin überzeugt, dass es - wie Robert sagt - meine Berufung ist, die Homöopathie nach Japan zu bringen!“

 

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Kategorie: Allgemein
Stichwörter: Homöopathie, Japan, Wunder

 





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