PRESSEINFORMATION
 

SPIEGEL Titelthema:
Homöopathie – die große Illusion

Stellungnahme der Carstens-Stiftung
 

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Cathy Brinkmann/ pixelio.de
 

(Essen, 14.07.2010) Es war eine Frage der Zeit, bis sich die gesundheitspolitische Debatte auf die Komplementärmedizin ausdehnt. Den Stein ins Rollen bringt nun die Titelstory der aktuellen Ausgabe des SPIEGEL.

Dass gerade die Homöopathie als Aufhänger herhalten muss, verwundert nicht. Sie ist das Verfahren innerhalb der Komplementärmedizin, bei dem die Meinungen am weitesten auseinander gehen. Einige Politiker nehmen die Aussagen im SPIEGEL nun zum Anlass, sich über die Rolle der Homöopathie in der GKV zu äußern.

Pragmatismus statt Grabenkampf

Der SPIEGEL-Beitrag selbst trägt die Überschrift "Der große Schüttelfrust". Die Rede ist von unversöhnlicher Gegnerschaft zwischen Anhängern und Gegnern, zwischen "hemmungslos Gläubigen und fundierten Kritikern", der Ton werde nun "rau(h)er, die Auseinandersetzung rabiater."
Das Gegenteil ist der Fall: In der Versorgungsrealität (Arztpraxen, Krankenhäuser, Ärztekammern, Krankenkassen, medizinische Fakultäten) gibt es zahlreiche gute Beispiele für ein funktionierendes Miteinander. Unabhängig von Gesundheitspolitik und Lobbyismus tritt an die Stelle des ideologischen Grabenkampfes, den uns der Autor aufdrängen will, ein Pragmatismus, der sich am Wohle und an den Wünschen der Patienten orientiert.

Homöopathie an Universitäten

Selbst an den medizinischen Fakultäten der Universitätskliniken gibt es zunehmend Bereitschaft zur Kooperation: An vielen Universitäten ist die Homöopathie fester Lehr-Bestandteil im Querschnittsbereich 12, der verpflichtend unterrichtet wird. Alleine im Sommersemester 2010 bot darüber hinaus fast jede dritte Universität das Wahlpflichtfach "Homöopathie" den angehenden Medizinern an.
Der SPIEGEL bemüht sich indes alte Feindbilder wieder aufleben zu lassen und Gräben auszuheben, die längst zugeschüttet waren. Der Versuch, die Anhänger beider Seiten erneut gegeneinander aufzubringen, hilft in der Sache nicht weiter. Und Sachlichkeit ist dringender denn je angeraten - leider fehlt es dem Beitrag darin in zentralen Punkten:

1. Zur Aussage, die Wirksamkeit der Homöopathie sei wissenschaftlich widerlegt

Der SPIEGEL behauptet, es gäbe "nicht den geringsten überzeugenden Beweis dafür, dass homöopathische Kügelchen irgendetwas anderes bewirken als einen Placeboeffekt." Diese Aussage ist nachweislich falsch (es sei denn man interpretiert das Wörtchen "überzeugend" so, dass nichts überzeugend sein kann, was nicht in das Weltbild des Autors passt). Moderne Wirksamkeitsnachweise (im Sinne randomisierter placebokontrollierter Studien) liegen zum Beispiel dafür vor, dass das homöopathische Medikament Galphimia glauca wirksam in der Behandlung des Heuschnupfens ist, dass eine individualisierte homöopathische Behandlung kindlicher Durchfallerkrankungen die Häufigkeit und Schwere der Stühle im Vergleich mit einem Placebo deutlich senken kann, oder dass eine homöopathische Behandlung die Schmerzen von Fibromyalgiepatienten lindert. Deshalb wurde die Homöopathie in die offizielle Leitlinie zur Behandlung von Fibromyalgie aufgenommen.
Es kann also keine Rede davon sein, dass die Homöopathie "widerlegt" ist. Es ist eine Mär, dass "seit mindestens zehn Jahren alle gutgemachten, systematischen Reviews und Metaanalysen einheitlich zu diesem Ergebnis gekommen sind". Wer sich die Schlussfolgerungen dieser Arbeiten durchliest, wird vorsichtig positive und überwiegend negative Bemerkungen finden, aber keine, in der von einem "Beweis" der Nicht-Wirksamkeit gesprochen wird.
In seinen Formulierungen ist der SPIEGEL leider insgesamt sehr unscharf. Wissenschaftlich klar definierte Begriffe wie Nutzen, Wirkung und Wirksamkeit werden wahllos miteinander vermengt. So versteigt sich der Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses, Rainer Hess, laut SPIEGEL zu der Behauptung, der Nutzen der Homöopathie sei nicht belegt. Was er wahrscheinlich meint, ist etwas vollkommen anderes: nämlich die spezifische Wirksamkeit der homöopathischen Arzneimittel. Dass eine homöopathische Behandlung dem Patienten nutzt, kann mittlerweile als unumstritten gelten.

2. Zum Stellenwert der Aktion 10:23 in Großbritannien

Dass Wissenschaftlichkeit nicht in der Absicht des SPIEGEL-Artikels liegt, zeigt sich auch darin, dass die englische Protestaktion gegen die Homöopathie "10:23" an prominenter Stelle im Beitrag platziert ist, obwohl ihr wissenschaftlicher Aussagewert gleich null ist. Es ist mehr als befremdlich, über die Problematik angeblich geringwertiger Studien zur Homöopathie zu spekulieren und gleichzeitig eine medizinethisch äußerst fragwürdige Kampagne als Beleg für die Unwirksamkeit heranzuziehen.

3. Zur Forderung von Prof. Karl Lauterbach, die Erstattung der Homöopathie solle verboten werden
Die gesetzlichen Krankenversicherer können die homöopathische Behandlung erstatten, sie müssen es aber nicht! Die Forderung von Lauterbach, eine freiwillige Leistung zu verbieten, macht wenig Sinn. Einerseits soll der Wettbewerb der Krankenkassen untereinander gestärkt werden, andererseits werden Gestaltungsräume eingeschränkt? Der Schlingerkurs geht weiter.
Warum etwa die Hälfte der Kassen Homöopathie erstattet, hat verschiedene Gründe. Diese müssen jedenfalls überzeugend sein, denn die homöopathische Behandlung ist augenscheinlich erfolgreich; und sie entspricht dem Wunsch der Versicherten.

4. Zu den Kosten für homöopathische Arzneimittel

Seit der Gesundheitsreform 2004 dürfen naturheilkundliche und homöopathische Arzneimittel für Erwachsene mit wenigen Ausnahmen nicht mehr erstattet werden. Die Kosten tragen die Versicherten, eine Belastung für das Gesundheitssystem entsteht hieraus nicht. Vor der Reform lagen die Kosten für die Erstattung homöopathischer Arzneimittel unter einem Prozent des gesamten Arzneimittelbudgets.

5. Zu den Aussagen des designierten IQWIG-Chefs Prof. Jürgen Windeler

Windelers Behauptung, "Die Homöopathie ist ein spekulatives, widerlegtes Konzept", ist nicht haltbar. Wie fast alle, die über Homöopathie reden, begeht er den Fehler, die Homöopathie über die Potenzierung zu definieren. Das zentrale Grundprinzip der Homöopathie ist aber nicht die Potenzierung, sondern das Ähnlichkeitsprinzip ("Ähnliches möge mit Ähnlichem geheilt werden"; nicht: "Gleiches mit Gleichem", wie der SPIEGEL schreibt). Wer vom Konzept der Homöopathie spricht, muss das Ähnlichkeitsprinzip prüfen und nichts anderes. Insofern ist das "homöopathische Konzept" weder belegt noch widerlegt.
Davon abgesehen meint Windeler: "dazu muss man auch gar nicht weiterforschen, die Sache ist erledigt." Er ignoriert damit den Stand der Forschung und den Willen der Bevölkerung. Wenn Wissenschaft zum Selbstzweck wird und sich nicht um die Probleme der Patienten kümmert, braucht sich Windeler nicht im SPIEGEL zu beklagen, "dass es den Menschen egal sei, zu welchen Erkenntnissen die Wissenschaft gelange." Forschung zur Homöopathie ist eindeutig im Interesse der Bevölkerung; weitere Forschung ist dringend erforderlich.

6. Zu den Aussagen von Prof. Edzard Ernst

So genannte Beobachtungsstudien bringen laut Ernst jeden "Methodiker nur zu einem milden Lächeln", da man damit "jeden Unsinn belegen" kann. Das Gegenteil ist der Fall: Wegen Ihrer Komplexität bringen sie einen Methodiker eher zum Schwitzen als zum Lächeln.
Beobachtungsstudien sind das wichtigste Instrument zur Beschreibung der Versorgungswirklichkeit. Sie bilden einen wichtigen Baustein in der Beurteilung, ob und unter welchen Umständen eine Therapie von Nutzen ist. Unsinn wird nur dann daraus, wenn die Ergebnisse nicht angemessen interpretiert werden.
Im Übrigen ist es bezeichnend, dass der Autor ausgerechnet Ernst als Kronzeugen gegen die Homöopathie ins Feld führt. Im SPIEGEL heißt es: "An Ernst prallen die Argumente der Homöopathen ohnehin ab wie an einer Betonwand."

7. Zur Aussage, die Karl und Veronica Carstens-Stiftung fördere die Erforschung der Homöopathie "wohlwollend"

Diese Aussage ist falsch. Wissenschaft ist nach dem Verständnis der Carstens-Stiftung per se ergebnisoffen, nicht "wohlwollend". Valide Forschungsergebnisse dürfen nicht von institutionellen oder persönlichen Interessen geprägt sein. Die Publikationspolitik der Stiftung belegt diese Haltung eindeutig: Negative Ergebnisse werden genauso vorbehaltlos und in vollem Umfang publiziert wie positive.
Dass diese Praxis in der pharmazeutischen Industrie hingegen nicht gepflegt wird, weiß der Autor des SPIEGEL-Beitrags am besten: In seinem Buch "Kranke Geschäfte, wie die Pharmaindustrie uns manipuliert" beschäftigt er sich auf fast 300 Seiten mit Politik, Forschung und Lobbyarbeit der Pharmakonzerne.

8. Zur Aussage, Homöopathen seien Impfgegner

Leider wiederholt der SPIEGEL ein häufig geäußertes Vorurteil ohne weitergehende Recherche. Bislang gibt es keine einzige Erhebung, die gezeigt hat, dass "die unter Homöopathen beliebte Impfgegnerschaft" existiert. Im Gegenteil: Die einzige Erhebung bei Allgemeinärzten und Kinderärzten zu ihrem Impfverhalten kam zu dem Ergebnis, dass Homöopathen nicht kategorisch als Impfgegner eingestuft werden können.
(http://www.carstens-stiftung.de/nachwuchs/promotionsfoerderung/abstracts/hom/lehrke.pdf)

9. Krötengift und Nazi-Homöopathie

Der Versuch die Homöopathie mit skurrilen Beispielen aus der "Materia Medica" absonderlich erscheinen zu lassen, ist nicht neu. Auch der Hinweis auf die Aktivitäten der Nazis ist ein von Homöopathie-Gegnern viel zitierter Umstand. Zur sachlichen Diskussion tragen diese Diskreditierungsversuche nicht bei. Vielmehr wirft die Wahl dieser Beispiele Licht auf die Intentionen des Autors.

Fazit: Der Artikel im SPIEGEL wird die Debatte um die Homöopathie, und die Komplementärmedizin im Allgemeinen anregen. Die Karl und Veronica Carstens-Stiftung als Wissenschaftsorganisation und ihre Fördergemeinschaft "Natur und Medizin e.V." als Patientenvertretung begrüßen die Diskussion, solange Fakten und Argumente im Mittelpunkt stehen. Agitation, Stimmungsmache und eine erschreckende Unkenntnis der Sachlage, wie der SPIEGEL sie vorträgt, bringen die Sache nicht weiter.

 

>> zur Homepage der Karl und Veronika Carstens-Stiftung
>> zum Originalartikel

 

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SPIEGEL Titelthema:
Homöopathie – die große Illusion

Stellungnahme der Carstens-Stiftung
 

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Cathy Brinkmann/ pixelio.de
 

(Essen, 14.07.2010) Es war eine Frage der Zeit, bis sich die gesundheitspolitische Debatte auf die Komplementärmedizin ausdehnt. Den Stein ins Rollen bringt nun die Titelstory der aktuellen Ausgabe des SPIEGEL.

Dass gerade die Homöopathie als Aufhänger herhalten muss, verwundert nicht. Sie ist das Verfahren innerhalb der Komplementärmedizin, bei dem die Meinungen am weitesten auseinander gehen. Einige Politiker nehmen die Aussagen im SPIEGEL nun zum Anlass, sich über die Rolle der Homöopathie in der GKV zu äußern.

Pragmatismus statt Grabenkampf

Der SPIEGEL-Beitrag selbst trägt die Überschrift "Der große Schüttelfrust". Die Rede ist von unversöhnlicher Gegnerschaft zwischen Anhängern und Gegnern, zwischen "hemmungslos Gläubigen und fundierten Kritikern", der Ton werde nun "rau(h)er, die Auseinandersetzung rabiater."
Das Gegenteil ist der Fall: In der Versorgungsrealität (Arztpraxen, Krankenhäuser, Ärztekammern, Krankenkassen, medizinische Fakultäten) gibt es zahlreiche gute Beispiele für ein funktionierendes Miteinander. Unabhängig von Gesundheitspolitik und Lobbyismus tritt an die Stelle des ideologischen Grabenkampfes, den uns der Autor aufdrängen will, ein Pragmatismus, der sich am Wohle und an den Wünschen der Patienten orientiert.

Homöopathie an Universitäten

Selbst an den medizinischen Fakultäten der Universitätskliniken gibt es zunehmend Bereitschaft zur Kooperation: An vielen Universitäten ist die Homöopathie fester Lehr-Bestandteil im Querschnittsbereich 12, der verpflichtend unterrichtet wird. Alleine im Sommersemester 2010 bot darüber hinaus fast jede dritte Universität das Wahlpflichtfach "Homöopathie" den angehenden Medizinern an.
Der SPIEGEL bemüht sich indes alte Feindbilder wieder aufleben zu lassen und Gräben auszuheben, die längst zugeschüttet waren. Der Versuch, die Anhänger beider Seiten erneut gegeneinander aufzubringen, hilft in der Sache nicht weiter. Und Sachlichkeit ist dringender denn je angeraten - leider fehlt es dem Beitrag darin in zentralen Punkten:

1. Zur Aussage, die Wirksamkeit der Homöopathie sei wissenschaftlich widerlegt

Der SPIEGEL behauptet, es gäbe "nicht den geringsten überzeugenden Beweis dafür, dass homöopathische Kügelchen irgendetwas anderes bewirken als einen Placeboeffekt." Diese Aussage ist nachweislich falsch (es sei denn man interpretiert das Wörtchen "überzeugend" so, dass nichts überzeugend sein kann, was nicht in das Weltbild des Autors passt). Moderne Wirksamkeitsnachweise (im Sinne randomisierter placebokontrollierter Studien) liegen zum Beispiel dafür vor, dass das homöopathische Medikament Galphimia glauca wirksam in der Behandlung des Heuschnupfens ist, dass eine individualisierte homöopathische Behandlung kindlicher Durchfallerkrankungen die Häufigkeit und Schwere der Stühle im Vergleich mit einem Placebo deutlich senken kann, oder dass eine homöopathische Behandlung die Schmerzen von Fibromyalgiepatienten lindert. Deshalb wurde die Homöopathie in die offizielle Leitlinie zur Behandlung von Fibromyalgie aufgenommen.
Es kann also keine Rede davon sein, dass die Homöopathie "widerlegt" ist. Es ist eine Mär, dass "seit mindestens zehn Jahren alle gutgemachten, systematischen Reviews und Metaanalysen einheitlich zu diesem Ergebnis gekommen sind". Wer sich die Schlussfolgerungen dieser Arbeiten durchliest, wird vorsichtig positive und überwiegend negative Bemerkungen finden, aber keine, in der von einem "Beweis" der Nicht-Wirksamkeit gesprochen wird.
In seinen Formulierungen ist der SPIEGEL leider insgesamt sehr unscharf. Wissenschaftlich klar definierte Begriffe wie Nutzen, Wirkung und Wirksamkeit werden wahllos miteinander vermengt. So versteigt sich der Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses, Rainer Hess, laut SPIEGEL zu der Behauptung, der Nutzen der Homöopathie sei nicht belegt. Was er wahrscheinlich meint, ist etwas vollkommen anderes: nämlich die spezifische Wirksamkeit der homöopathischen Arzneimittel. Dass eine homöopathische Behandlung dem Patienten nutzt, kann mittlerweile als unumstritten gelten.

2. Zum Stellenwert der Aktion 10:23 in Großbritannien

Dass Wissenschaftlichkeit nicht in der Absicht des SPIEGEL-Artikels liegt, zeigt sich auch darin, dass die englische Protestaktion gegen die Homöopathie "10:23" an prominenter Stelle im Beitrag platziert ist, obwohl ihr wissenschaftlicher Aussagewert gleich null ist. Es ist mehr als befremdlich, über die Problematik angeblich geringwertiger Studien zur Homöopathie zu spekulieren und gleichzeitig eine medizinethisch äußerst fragwürdige Kampagne als Beleg für die Unwirksamkeit heranzuziehen.

3. Zur Forderung von Prof. Karl Lauterbach, die Erstattung der Homöopathie solle verboten werden
Die gesetzlichen Krankenversicherer können die homöopathische Behandlung erstatten, sie müssen es aber nicht! Die Forderung von Lauterbach, eine freiwillige Leistung zu verbieten, macht wenig Sinn. Einerseits soll der Wettbewerb der Krankenkassen untereinander gestärkt werden, andererseits werden Gestaltungsräume eingeschränkt? Der Schlingerkurs geht weiter.
Warum etwa die Hälfte der Kassen Homöopathie erstattet, hat verschiedene Gründe. Diese müssen jedenfalls überzeugend sein, denn die homöopathische Behandlung ist augenscheinlich erfolgreich; und sie entspricht dem Wunsch der Versicherten.

4. Zu den Kosten für homöopathische Arzneimittel

Seit der Gesundheitsreform 2004 dürfen naturheilkundliche und homöopathische Arzneimittel für Erwachsene mit wenigen Ausnahmen nicht mehr erstattet werden. Die Kosten tragen die Versicherten, eine Belastung für das Gesundheitssystem entsteht hieraus nicht. Vor der Reform lagen die Kosten für die Erstattung homöopathischer Arzneimittel unter einem Prozent des gesamten Arzneimittelbudgets.

5. Zu den Aussagen des designierten IQWIG-Chefs Prof. Jürgen Windeler

Windelers Behauptung, "Die Homöopathie ist ein spekulatives, widerlegtes Konzept", ist nicht haltbar. Wie fast alle, die über Homöopathie reden, begeht er den Fehler, die Homöopathie über die Potenzierung zu definieren. Das zentrale Grundprinzip der Homöopathie ist aber nicht die Potenzierung, sondern das Ähnlichkeitsprinzip ("Ähnliches möge mit Ähnlichem geheilt werden"; nicht: "Gleiches mit Gleichem", wie der SPIEGEL schreibt). Wer vom Konzept der Homöopathie spricht, muss das Ähnlichkeitsprinzip prüfen und nichts anderes. Insofern ist das "homöopathische Konzept" weder belegt noch widerlegt.
Davon abgesehen meint Windeler: "dazu muss man auch gar nicht weiterforschen, die Sache ist erledigt." Er ignoriert damit den Stand der Forschung und den Willen der Bevölkerung. Wenn Wissenschaft zum Selbstzweck wird und sich nicht um die Probleme der Patienten kümmert, braucht sich Windeler nicht im SPIEGEL zu beklagen, "dass es den Menschen egal sei, zu welchen Erkenntnissen die Wissenschaft gelange." Forschung zur Homöopathie ist eindeutig im Interesse der Bevölkerung; weitere Forschung ist dringend erforderlich.

6. Zu den Aussagen von Prof. Edzard Ernst

So genannte Beobachtungsstudien bringen laut Ernst jeden "Methodiker nur zu einem milden Lächeln", da man damit "jeden Unsinn belegen" kann. Das Gegenteil ist der Fall: Wegen Ihrer Komplexität bringen sie einen Methodiker eher zum Schwitzen als zum Lächeln.
Beobachtungsstudien sind das wichtigste Instrument zur Beschreibung der Versorgungswirklichkeit. Sie bilden einen wichtigen Baustein in der Beurteilung, ob und unter welchen Umständen eine Therapie von Nutzen ist. Unsinn wird nur dann daraus, wenn die Ergebnisse nicht angemessen interpretiert werden.
Im Übrigen ist es bezeichnend, dass der Autor ausgerechnet Ernst als Kronzeugen gegen die Homöopathie ins Feld führt. Im SPIEGEL heißt es: "An Ernst prallen die Argumente der Homöopathen ohnehin ab wie an einer Betonwand."

7. Zur Aussage, die Karl und Veronica Carstens-Stiftung fördere die Erforschung der Homöopathie "wohlwollend"

Diese Aussage ist falsch. Wissenschaft ist nach dem Verständnis der Carstens-Stiftung per se ergebnisoffen, nicht "wohlwollend". Valide Forschungsergebnisse dürfen nicht von institutionellen oder persönlichen Interessen geprägt sein. Die Publikationspolitik der Stiftung belegt diese Haltung eindeutig: Negative Ergebnisse werden genauso vorbehaltlos und in vollem Umfang publiziert wie positive.
Dass diese Praxis in der pharmazeutischen Industrie hingegen nicht gepflegt wird, weiß der Autor des SPIEGEL-Beitrags am besten: In seinem Buch "Kranke Geschäfte, wie die Pharmaindustrie uns manipuliert" beschäftigt er sich auf fast 300 Seiten mit Politik, Forschung und Lobbyarbeit der Pharmakonzerne.

8. Zur Aussage, Homöopathen seien Impfgegner

Leider wiederholt der SPIEGEL ein häufig geäußertes Vorurteil ohne weitergehende Recherche. Bislang gibt es keine einzige Erhebung, die gezeigt hat, dass "die unter Homöopathen beliebte Impfgegnerschaft" existiert. Im Gegenteil: Die einzige Erhebung bei Allgemeinärzten und Kinderärzten zu ihrem Impfverhalten kam zu dem Ergebnis, dass Homöopathen nicht kategorisch als Impfgegner eingestuft werden können.
(http://www.carstens-stiftung.de/nachwuchs/promotionsfoerderung/abstracts/hom/lehrke.pdf)

9. Krötengift und Nazi-Homöopathie

Der Versuch die Homöopathie mit skurrilen Beispielen aus der "Materia Medica" absonderlich erscheinen zu lassen, ist nicht neu. Auch der Hinweis auf die Aktivitäten der Nazis ist ein von Homöopathie-Gegnern viel zitierter Umstand. Zur sachlichen Diskussion tragen diese Diskreditierungsversuche nicht bei. Vielmehr wirft die Wahl dieser Beispiele Licht auf die Intentionen des Autors.

Fazit: Der Artikel im SPIEGEL wird die Debatte um die Homöopathie, und die Komplementärmedizin im Allgemeinen anregen. Die Karl und Veronica Carstens-Stiftung als Wissenschaftsorganisation und ihre Fördergemeinschaft "Natur und Medizin e.V." als Patientenvertretung begrüßen die Diskussion, solange Fakten und Argumente im Mittelpunkt stehen. Agitation, Stimmungsmache und eine erschreckende Unkenntnis der Sachlage, wie der SPIEGEL sie vorträgt, bringen die Sache nicht weiter.

 

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